Es gibt verschiedene Gründe, warum bei einigen Frauen die Menstruation ausbleibt. Einer davon ist hypothalamische Amenorrhö (HA), auch hypothalamische Ovarialinsuffizienz oder hypogonadotroper Hypogonadismus genannt. Dies ist eine Unterform der „Triade der weiblichen Athleten” („Female Athlete Triad”) und Energieunterversorgung im Sport („Relative Energy Deficiency in Sport”, REDS). HA verursacht eine Störung im Gehirn, wodurch Signale des Hormonsteuerungszentrums, des Hypothalamus, blockiert oder signifikant vermindert werden. In Folge dessen kommt es nicht zur Eireifung und zum Eisprung, wodurch letztendlich auch die Periode ausbleibt. Unserer Erfahrung nach sind die folgenden fünf Faktoren mögliche Ursachen der hypothalamischen Funktionsstörung:
Die gute Neuigkeit ist, dass HA in den meisten Fällen reversibel ist!
Essgewohnheiten
Kalorienreduktion und die Vermeidung von Lebensmittelgruppen (beispielsweise in Form einer Low-Carb-Ernährung) sind bei Frauen mit ausbleibender Periode häufig anzutreffen. Wir führten eine Studie mit über 300 Teilnehmerinnen durch. Die untere Grafik zeigt die geplante tägliche Kalorienaufnahme der Befragten. Laut der Studie liegt die durchschnittliche geplante Kalorienaufnahme von Frauen, die an HA leiden oder litten, bei 1.481 Kalorien pro Tag. Dies entspricht den Richtlinien für eine Diät zur Gewichtsreduktion.
Sport
Viele Frauen, die an HA leiden, sind nach allgemeiner Auffassung sportlich „sehr aktiv” - jedoch trifft dies nicht auf jeden Fall zu. Die Grafik unten zeigt den Sportumfang pro Woche und Stunden pro Tag. Es ist vielleicht zu erwarten, dass Frauen, die an sieben Tagen pro Woche zwei Stunden täglich Sport treiben, an einer Funktionsstörung des Hypothalamus leiden. Zusätzlich gibt es viele Frauen, die viel weniger sportlich aktiv sind und trotzdem erkranken. Jeder Kreis unten zeigt die Anzahl der Personen in unserer Umfrage, die sich in dem angegebenen Umfang bewegen.
Außerdem ist die Trainingsintensität bei Menschen mit HA oft höher als bei Personen mit normalen Perioden. Vergleiche die grüne Linie unten (vor der HA) mit der roten Linie (Trainingsintensität während der HA) - du kannst sehen, dass die Menschen sich viel mehr anstrengen! (Weitere Erläuterungen zu diesen Diagrammen findest du im deutschen Buch “Keine Periode - was jetzt?”.)
Gewichtsverlust bzw. ein zu niedriges Körpergewicht
Ein Irrglaube ist, dass nur bei stark untergewichtigen Frauen die Menstruation ausbleiben kann. 33% aller Teilnehmerinnen unserer Studie wiesen zwar einen BMI unter 18,5 auf, aber 7.5% hatten einen BMI über 22. Und durch unsere Arbeit seit der Veröffentlichung des Originalbuchs wissen wir, dass dies auf einen noch höheren Prozentsatz von Menschen zutrifft.
Gewichtsverlust war ein wesentlich häufigeres Merkmal: 82% unserer Studienteilnehmerinnen hatten fünf oder mehr Kilo abgenommen, bevor sie an HA erkrankten. Abgesehen vom Gewicht ist der Kern des Problems bei HA also ein Energiedefizit. (Jede Zeile repräsentiert 10% der 272 Frauen, die Daten zur Verfügung gestellt haben.)
Stress
Bekannt ist, dass akute Stresssituationen wie der Verlust eines Familienmitglieds ein Ausbleiben einer Menstruation zur Folge haben können. Aber auch chronischer Stress sorgt für Hormonausschüttungen, die die Funktion des Hypothalamus negativ beeinflussen und ein Ausbleiben der Menstruation verursachen können, insbesondere in Kombination mit einer der oben genannten Faktoren. Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass viele von uns, die an einer hypothalamischer Funktionsstörung leiden, mit konstantem Stress zu kämpfen haben, oft ausgelöst durch selbst auferlegten Leistungsdruck, sich „perfekt” zu ernähren oder täglich Sport zu treiben.
Genetik
Bei Frauen mit HA wurden Genmutationen in einigen Proteinen, die den Menstruationszyklus regeln, gefunden. Dies legt den Verdacht nahe, dass eine gewisse Anfälligkeit für Zyklusstörungen genetisch bedingt ist.
Nach Identifizierung der Auslöser können Veränderung in Einstellung und Gewohnheiten die Auslöser der Hypothalamus-Störung aufheben, um eine Menstruation wiederherzustellen.
Referenzen:
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